Räumliche Musik ist vermutlich einer der wichtigsten Indikatoren der Musik- entwicklung im 20. Jahrhundert. Mit der systematischen Einbeziehung des Raumes ins musikalische Komponieren befreit sich die Musik schließlich von der Jahrhunderte langen Vorstellung, die die Musik als eine ‚Zeit‘-Kunst dargestellt hat. Der Computer nimmt in dieser Entwicklung eine Sonderstelle ein und verwirklicht die Konzepte, die bis vor 50 Jahren entweder unrealisierbar oder überhaupt nicht vorstellbar waren. Die Beiträge der amerikanischen Avantgarde, das Erbe der Wiener Schule, die Emanzipation der Geräusche bei den Futuristen zusammen mit der Entwicklung der Technik führt die Musikentwicklung in der Nachkriegszeit zu dem Punkt, daß die Elektronische Musik und musique concrète als zwei bedeutende Musikrichtungen der Zeit unvermeidlicherweise den Raum nach Klang- farbe, Dauer, Lautstärke und Tonhöhe als die fünfte selbständige Dimension der Musik anerkennen. Während die Verräumlichung in der instrumentalen Musik variierte Instrumentenaufstellung, Bewegung der Instrumentalisten und in gewissen Fällen Klangfarben- veränderung bedeutet, greift die elektroakustische Musik in die innersten Klangstrukturen ein und bringt die Mikroformen durch die Verräumlichung im realen Raum zum Klingen. Computergestützte Technik ist nicht nur eine große Hilfe für die Lösung der aufführungspraktischen Probleme gewesen, sondern erlaubte auch die Erzeugung musikalischer Qualitäten, die mit der Technik der früheren elektro- akustischen Musik wie additive Klangsynthese, mechanische Manipulation des Tonband- trägers etc. nicht mehr möglich war.
(aus „Reale und virtuelle Raüme in der Computermusik“, pdf. vorgelegt von Bijan Zelli)